Wie Sie (wieder) mehr lesen

„Ich sollte mehr lesen“ – ein Wunsch, den ich uneingeschränkt unterstützen würde.  Denn Lesen hat keine negativen Begleiterscheinungen. Selbst das Internet spuckt keine ernstzunehmenden Ergebnisse aus, wenn ich „negative Wirkung von zu viel Lesen“ eingebe.

Eine Einschränkung möchte ich allerdings schon machen: ich rede von Druckerzeugnissen. Zuviel Lesen am Bildschirm oder Smartphone hat sehr wohl negative Wirkung. Aber darauf will ich jetzt gar nicht eingehen.

Gut. Sie wollen also mehr lesen. Säßen Sie mir gegenüber, würde ich Sie als erstes bitten, „sollte“ durch „möchte“ zu ersetzen. Damit können Sie herausfinden, ob der Wunsch wirklich von Ihnen kommt, oder von einer ominösen dritten Seite. Können Sie „ich möchte mehr lesen“ so sagen, dass Sie es sich selbst glauben, dann ist es nur noch eine Frage der richtigen Strategie.

Drei Gründe mehr zu lesen

Als nächstes würde ich Sie fragen, warum Sie mehr lesen wollen. Je nach Ziel brauchen Sie eine andere Strategie, um das Lesen in Ihrem Alltag leichter einbinden zu können. Wollen Sie mehr lesen weil Sie

  1. ihre Zeit sinnvoller verbringen wollen?
  2. geistig fit bleiben wollen?
  3. es für Ihren Beruf, Studium oder berufliche Weiterenwicklung brauchen?

Der Unterschied liegt vor allem in der Motivation, die Sie jeweils brauchen werden. Während Beruf und Studium oft keine Wahl lassen, ob Sie überhaupt lesen, ist Ihre Freitzeitgestaltung natürlich eine völlig freiwillige Sache (dazu zähle ich auch den zweiten Grund). Sie werden hier also vermutlich mehr Motivation brauchen, um Ihr Verhalten in die gewünschte Richtung zu ändern.

Beruf und Studium dagegen verlangen von Ihnen, sich auch mit Texten auseinanderzusetzen, die Sie nicht brennend interessieren. Sie sind zudem gefordert, sich die Inhalte auch zu merken und abrufen zu können.

Die Freizeitlektüre lässt Ihnen die freie Wahl. Sie können aus den Vollen schöpfen; ein Buch auch einfach beenden, wenn es Ihnen nicht zusagt.

Sie sehen – beide Ziele haben Ihre Hürden und Ihre Steigbügel.

Freizeit sinnvoll füllen

Wenn Sie Ihre Zeit sinnvoller verbringen wollen, dann haben Sie im Moment offenbar das Gefühl Ihre Zeit sinnlos zu verbringen. Mir fallen außer Fernsehen (ja, auch Netflix zähle ich dazu) und Internet keine anderen Tätigkeiten ein, mit denen man die Zeit totschlägt.

Wir wissen selbst ganz genau, wenn wir zuviel fernsehen, zuviel im Internet herumhängen. Wir fühlen es – denn wir fühlen uns unzufrieden. Schon wieder einen Abend passiv auf der Couch gesessen. Schon wieder stundenlang irgendwelche Filmchen auf YouTube geschaut. Ja, wir wissen genau, wo das „zuviel“ anfängt.

Sie möchten das ändern? Dann kann heute der erste Tag sein.

1. Tipps für die Auswahl

Wann waren Sie das letzte Mal in einem Buchladen? Wann in einer Bücherei? Beides sind herrliche Orte, an denen man sich verlieren kann. Überforderung inklusive. Deshalb überlegen Sie,

  1. welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?
  2. was haben Sie als Kind gern gelesen?

So können Sie schonmal das Genre eingrenzen. Und dann los. Wenn Sie sich für die Bücherei entscheiden (was ich unbedingt empfehlen würde, weil Sie so Fehlkäufe vermeiden und keinen Stapel mit ungelesenen Büchern züchten), nehmen Sie mit, was Ihr Bibliotheksausweis erlaubt. Aber beschränken Sie sich auf eher schmale Bände.

In einer Buchhandlung können Sie sich beraten lassen. Nutzen Sie das Wissen der Buchhändler. Vielleicht haben Sie eine kleine Buchhandlung in Ihrer Nähe. Wenn Sie dort regelmäßig auftauchen, kann sich sogar so etwas wie eine Beziehung entwickeln. Ähnlich wie beim Friseur.

Aber selbst in den großen Ketten habe ich die Buchhändler immer als sehr kompetent und hilfsbereit erlebt. Seien Sie ehrlich und erklären Sie Ihr Vorhaben. Sonst präsentiert Ihnen die Buchhändlerin mit leuchtenden Augen einen 800-Seiten Ziegel.

Hören Sie sich im Bekannten- und Kollegenkreis um und lassen Sie sich was empfehlen. Dann haben Sie gleich den Vorteil, sich austauschen zu können.

Ein bißchen antiquiert, aber eine tolle Möglichkeit mehrere Vorteile zu verbinden: lesen Sie das gleiche Buch mit Ihrem Partner oder Partnerin – Gesprächsstoff inklusive.

2. Wenn nur der Anfang nicht so schwer wäre

Zuhause kommt jetzt der schwierige Part: Ihre Willsensstärke ist gefordert. Buch aufschlagen, oder „doch noch schnell was nachschauen“, „nur kurz die Nachrichten ansehen?“ Sie brauchen jetzt diesen kurzen magischen Moment, der Sie vom Vorhaben zum Tun bringt. Nehmen Sie sich für den Anfang eine bestimmte Einheit vor. Z.B. eine halbe Stunde oder 20 Seiten.

Nehmen Sie Ihr Buch immer mit. In der U-Bahn, bei der Mittagspause sind gute Gelegenheiten, zu lesen.

Haben Sie bestimmte Gewohnheiten beim Fernsehen oder im Internet surfen? Tee? Wein? Schokolade? Chips? Schon den Schlafanzug anziehen? Hervorragend. Dann übernehmen Sie diese Gewohnheiten für Ihre Lesezeit. Somit können Sie diese Gewohnheiten gleich als Anker für Ihre neue Lesegewohnheit einüben.

Eine meine Lieblingstechniken wenn es um Verhaltensänderungen geht, ist der Joker. Mit dem Joker erlauben Sie sich uneingeschränkt alles. Vor allem aber: Sie können jetzt, sofort, auf der Stelle beschließen, alles so zu belassen wie es ist. Sie gestatten sich, die Abende weiterhin vor dem Fernseher oder im Internet zu verbringen. Mit allen Folgen. Denn schließlich zwingt Sie ja niemand.

Meist löst der Joker einen leichten Schrecken aus. Nein – es soll doch auf keinen Fall so bleiben wie es ist. Dann nutzen Sie diesen kurzen Momen und greifen Sie schnell zum Buch.

Und dann: genießen Sie das Gefühl, Ihrer alten Gewohnheit nicht nachgegeben zu haben .

Geistig fit bleiben

Sie möchten Ihr Gehirn trainieren? Auf dem neuesten Stand sein? In Gesprächen und Diskussionen mithalten können? Dann gelten im Grunde die gleichen Tipps wie oben. Allerdings sollte der Lesestoff Sie leicht herausfordern. Nehmen Sie sich Sachthemen vor, die Sie bisher vermieden haben. Lesen Sie in der Zeitung die Rubrik, die bisher immer ungelesen im Altpapier gelandet ist.

Oder Sie nehmen sich ein Gebiet vor, auf dem Sie fundiertes Wissen sammeln wollen. Vielleicht hatten Sie auch als Schüler oder Schülerin diese Vorfreude, wenn ein neues Fach auf dem Stundenplan stand. Ich bin sicher, Sie können dieses Gefühl noch wachrufen. Also – was wollten Sie immer schonmal wissen? Zu welchem Gebiet lesen Sie gerne Zeitungsartikel oder vertiefen sich im Internet? Welche Wissenslücken ärgern Sie?

Kombinieren Sie Ihr privates Studium mit Kursen – es gibt zu fast allen Themen Kurse. Der Austausch mit anderen ist fürs Lernen ein wichtiger Bestandteil.

Die Tipps für berufliche Vielleser gibt es im zweiten Teil.

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192 Seiten, EUR 16,80

Prof. (a.o.) Göran Askeljung ist Autor und Inhaber von BrainRead, Geschäftsführer und Senior Trainer bei Askeljung.com und immediate effects, Certified Facilitator und Partner von Consensus in NY, und Leitet Consensus Österreich und Deutschland. Er ist Professor am Institut für Sales & Negotiation am Georgian School of Management, Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von WdF. Er war früher u.a. als Managing Director von Microsoft MSN in Österreich und Geschäftsbereichsleiter von Ericsson Data CEE in Wien tätig. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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